Lauter weiße Zettel. In den ersten zwei Wahlgängen gab es keine ernsthaften Kandidaten, denn die Tauschgeschäfte sind noch nicht abgeschlossen.
Wenn es wenigstens ein Jahrmarkt der Eitelkeiten wäre, es hätte etwas unterhaltsames. Stattdessen wirkt die Situation rund um die Wahl des neuen Staatsoberhaupts in Italien eher wie ein Tauschmarkt, ein An- und Verkauf von Stimmen und Interessen. Noch dazu ein recht verzweifelter. Es werden geboten Eigenschaften der Kandidatin gegen Posten in der – möglichen – neuen Regierung, temporäre Allianzen gegen zukünftige Unterstützung bei Gesetzesvorhaben wie einer Wahlreform – gibst du mir das, geb ich dir das. Aber erst schau ich noch mal, was die anderen im Angebot haben.
„Di alto profilo“ sollen die Anwärter:innen auf das Amt sein, von hoher Qualität und Profilstärke, den höchsten Ansprüchen genügen. Denn schließlich soll er oder sie die Verfassung schützen und institutionelle Kontinuität gewährleisten. Neutral sein, eine Vertreterin der ganzen Nation, weise und am Wohl des Landes orientiert, gerade in Zeiten politischer Krisen.
Dafür, dass ein so hoher Anspruch besteht, werden die möglichen Kandidat:innen von denen, die sie wählen, geradezu verscherbelt. Ein bisschen mehr Einfluss hier, um besser in den nächsten Wahlkampf zu starten (das Innenministerium an Matteo Salvini). Ein bisschen mehr Nachsicht dort, sonst zerschlägt die Präsidentenwahl den Rest von Einigkeit, der in der Partei noch übrig ist (Conte, Fünf-Sterne). Irgendjemand, mit dem man mal einen richtigen Erfolg landen könnte – warum also nicht der, der schon einmal ein Erfolg war (Enrico Letta, PD, für Draghi oder Mattarella).
Die Wahl zum höchsten Amt im Staat – das zudem über die vergangenen Jahre immer wichtiger und einflussreicher geworden ist, in dem Maße, wie sich die parteipolitische Führung selbst im Weg stand – und die Parteien kandidieren NIEMANDEN in den ersten beiden Runden. Bloß keinen Fehler machen, bloß nicht zu früh aus der Deckung, wer weiß, wem das schadet. Wenn nur leere Zettel abgegeben werden, ist die Zahl der so genannten franchi tiratori, derjenigen, die aus dem Fraktionskonsens ausscheiden, erwartungsgemäß gering. Außerdem findet sich ja vielleicht noch ein Trumpf während der Verhandlungen und Gespräche im Hintergrund. Also lieber nichts riskieren.
Doch es hat etwas beschämendes, dass sich weder ein Lager noch eine Partei findet, jemanden zu kandidieren, auch wenn sie wissen, dass in den ersten drei Wahlgängen wohl keine Mehrheit zustande kommt. Es ist mutlos und taktisch, beides Eigenschaften, die sich nicht gut mit einem derart wichtigen Wahlvorgang (vgl. oben, Eigenschaften des Präsidenten der Republik) vereinbaren lassen. Ja, es ist möglich, dass eine Kandidatin aus den ersten Runden später nicht gewählt wird oder zurück zieht. Aber auch in diesem Wissen kann man oder frau erhobenen Hauptes eine Wahl antreten. Und dazu müssten die führenden Parteien ein paar Personen doch auch überzeugen können.
Doch diese sind ganz offenbar viel zu sehr damit beschäftigt, entweder aussichtsreiche Kandidat:innen und sich selbst nicht „zu verbrennen“ oder schlicht genug für sich rausholen zu können. Selbst wenn es am Ende doch noch Mario Draghi wird, weil sich Lega gegen Forza Italia doch noch dafür öffnet und Grillo mit Di Maio innerhalb der Fünf-Sterne, wie teuer wird diese Wahl erkauft sein, welche Zugeständnisse wird Draghi, werden die jeweiligen politischen Gegner gemacht haben müssen? Das spricht nicht gerade dafür, dass die nächste Regierung die wichtigen Reformen und die Umsetzung des nationalen Wiederaufbauplans an der Zukunft des Landes ausrichtet, sondern zu einem starken Anteil am Überleben der Parteien .