Italien – unregierbar oder unkaputtbar?

Ein Blog über Italien und die politischen Entwicklungen. Für mehr Verständnis, hoffentlich.

Mitnahmen vom Gastland der Frankfurter Buchmesse

Irritierendes, beunruhigendes, Mut machendes von den Repräsentant:innen des Gastlandes Italien – von der offiziellen Delegation wie vom Alternativprogramm.

Freie Debatte auf der Frankfurter Buchmesse

Außengelände der Frankfurter Messe mit Live-Übertragung eines Gesprächs mit Roberto Saviano auf Leinwand

Während sich in Italien die Räume für freien, unbeschwerten Diskurs schleichend verkleinern, gab die Frankfurter Buchmesse ihrem Gastland Raum für lebhafte Debatten – ungewöhnlich politisch. Doch die Lage ist ernst zu nehmen, so viel konnnte man sicher von diesem Wochenende mit nach Hause nehmen.

Kulturkampf

Italiens Kulturminister Gennaro Sangiuliano musste zurücktreten, nach der Affäre um und mit Maria Rosaria Boccia, Preisgabe von Amtsinformationen und möglicherweise vom Staat bezahlten Reisen.

Giorgia Meloni rief ihre Mitstreiter:innen daher zur Ordnung: Auf dem Weg „Geschichte“ zu schreiben, dürfen keine Fehler passieren. Und so schreiten sie fort in ihrem Ziel, eine rechte Prägung der Kultur und des Diskurses zu etablieren.

Eine Direktwahl des Premiers ist auch eine Anomalie

Auszug des Originals der italienischen Verfassung

Da ist er nun, der Entwurf für eine Verfassungsreform. Il premierato – die Direktwahl der Premierministerin soll eingeführt werden, ein ziemlich einzigartiges parlamentarisches System. Mächtiger wird der oder die Presidente del Consiglio dadurch kaum, aber Technokratenregierungen werden ausgeschlossen und Regierungsumbildungen begrenzt. Vieles ist noch unklar, hängt es doch von den Detailregelungen ab, etwa dem zugehörigen Wahlgesetz. Klar ist: Die Fokussierung auf den Leader und eine gesicherte Mehrheit für die stärkste Kraft per Prämie – das entspricht wohl dem heutigen Demokratieverständnis, nicht nur in Italien, dem langwierige Kompromissfindung und parlamentarische Repräsentativität ein unliebsames Hindernis ist.

Sympathisch, diese Meloni. Oder?

Am Sonntag ist Europawahl, und Giorgia Meloni könnte zum Zünglein an der Waage für eine Wiederwahl Ursula von der Leyens als Kommissionspräsidentin werden. Die einen warnen, dass dies auf keinen Fall passieren darf, die anderen umwerben sie.
Sie ist doch so eine sympathische Frau – oder nicht? Warum es schwer fällt, sich von ihr nicht einwickeln zu lassen, und warum man trotzdem auf der Hut sein sollte.

Ein Deutscher für Florenz. Eike Schmidt will Bürgermeister werden

Panoramaansicht Florenz mit Dom und Palazzo Vecchio

Bürgermeisterwahl in Florenz am 9. Juni. Es tritt an: „der Deutsche“, Eike Schmidt, inzwischen eingebürgert, ehemaliger Direktor der Uffizien.
Getragen von der rechten Koalition aus FdI, Lega, FI. Parteien, die Ausländer an der Spitze ihrer Kultureinrichtungen gar nicht gerne sehen. Eine seltsame Allianz.

Der Superbonus, der nicht so super ist

Zur Hochzeit der Corona-Pandemie hatte sich die Regierung Conte II eine besondere Maßnahme ausgedacht, die die Wirtschaft wieder ankurbeln und zugleich Gebäude erdbebensicherer und energetisch sparsamer machen sollte.
Der so genannte Superbonus ist seither der Albtraum der jeweiligen Finanzminister. Der aktuelle, Giancarlo Giorgetti, sprach kürzlich von einem „Monstrum“ und versucht Hände ringend, die Effekte zu mildern, die Italien wieder in eine Finanzkrise stürzen könnten.

Tele-Meloni

ENTR von der Deutschen Welle erklärt kurz und knapp, wie es gerade um die Pressefreiheit in Italien bestellt ist. Und wie die Fernsehlandschaft in Italien aussieht. Ich durfte untersützen: https://www.youtube.com/watch?v=o9G6QgRxeGM&t=89s

Giorgia Meloni Ms. International

Giorgia Meloni neben Ursula von der Leyen und Marc Rutte bei Verhandlungsgesprächen mit Tunesien

Giorgia Meloni ist angekommen auf dem internationalen Parkett. Von manchen wird sie schon als neue starke Frau Europas gekürt. Sicherlich, im aktuellen politischen Setting kommt niemand an ihr vorbei. Aber ist diese Normalisierung wirklich eine positive Entwicklung? Skepsis ist angebracht, denn innenpolitisch hält Meloni nicht viel von Pluralität.


Der König der Populisten ist tot – es lebe der Populismus!

Mit Silvio Berlusconi hinterlässt die prägende Figur der „Zweiten Republik“, die mit ihm wohl auch zu Ende geht, ein Land, dessen kulturelle Degeneration er jahrzehntelang befeuert hat – politisch wie medial. Ein Verkäufer, ein Schmeichler, ein Ränkeschmieder, einer, der meinte alles kaufen zu können: Mehrheiten, Gesetze, Gerichtsaussagen – ob mit Geld, mit jungen Frauen, mit Gegenleistungen, mit Macht.

Giorgia Meloni will jetzt sein Erbe antreten – mit eigenwilliger Interpretation. Meloni ist ein ganz anderer Schlag Politiker:in, und vertritt auch inhaltlich in vielem einen anderen Standpunkt. Das Erbe Berlusconis wird sie vielleicht als Führerin des Mitte-Rechts-Lagers übernehmen – darüber hinaus gehört es wohl allen Italiener:innen, wenn nicht der halben Welt: Lügen gehört zum Geschäft, unrealistische Versprechungen ebenso; die Idee, dass das Volk direkt die Regierung zu wählen habe; dass eine Mehrheit zu haben, bedeutet, „ungestört“ regieren zu können, ohne Schranken durch Justiz, Verfahrensformen, Opposition; ein auf den leader zugeschnittener Parteiapparat ohne Gremien; mediale Manipulation, Anti-Elitismus – all das prägte Berlusconis Politikstil und ist feinster Populismus. Elemente, die sich wiederfinden bei Trump und Òrban ebenso wiederfinden wie bei Macron oder Renzi – in unterschiedlicher Abstufung, aber doch klar erkennbar.

In Europa war Berlusconi tatsächlich populistische Avantgarde. Sein Wirken wird noch lange zu spüren sein, in Italien insbesondere.

Empfehlung: Die aktuelle Podcastfolge zum Berlusconismo von kurz gesagt: Italien.


Und täglich grüßt das Murmeltier: Eine Verfassungsreform!

Auszug des Originals der italienischen Verfassung

Neue Regierung, altes Spiel: institutionelle Reformen gehen immer, sei es nun das Wahlrecht oder das Regierungssystem. Bislang ist das entweder dem System oder den verantwortlichen Politikern schlecht bekommen. Es besteht wenig Hoffnung, das das dieses Mal anders ist.

Die neue Normalität des Postfaschistischen

Giorgia Meloni ist seit etwas mehr als 100 Tagen im Amt und es lässt sich feststellen: Italiens rechteste Regierung aller Zeiten wird genauso kritisiert wie frühere rechte Regierungen. Inhaltlich gibt es also einiges auszusetzen – im Grunde ist das aber eine gute Nachricht.

Giorgia Meloni bei einem Besuch bei der Europäischen Kommision vor Europaflagge

Eindeutiger Sieg, fragwürdiges Wahlsystem

Grafik zur Sitzverteilung im Senat. Zur Mehrheit reichen 101 Stimmen, centrodestra verfügt über 116

Auf der positiven Seite steht: Italien hat eine klare Regierungsmehrheit – ob sie gefällt oder nicht. Auf der negativen Seite des geltenden Wahlsystems steht: Zu viele Sitze für die Lega und Forza Italia und zu viel Verwirrung, welche Kandidat:innen jetzt eigentlich wie ins Parlament gekommen sind.

Io sono Giorgia. Italien hat erstmals eine Regierungschefin

Titelseite der Repubblica zur Bildung der neuen Regierung

Giorgia Meloni ist neue Premierministerin Italiens. Als erste Frau in diesem Amt hat sie bis kurz vor Schluss noch heftige Machtkämpfe mit ihren Koalitionspartnern ausgetragen. Und vorerst gewonnen.

Die Regeln des Spiels. Italien vor der Wahl

Spielbrett mit Würfel und Männchen

Nur noch wenige Tage bis zur Wahl. Der Rechts-Koalition wird eine klarer Sieg vorausgesagt, begünstigt durch das geltende Wahlgesetz. Dieses ist nur eins von vielen Beispielen, wie der institutionelle Rahmen längst zum Gegenstand von parteipolitischen Interessen geworden ist – mit weit reichenden Folgen.

Die Rückkehr der Politik

Titelbild der Frankfurter Rundschau mit Mario Draghi am Tag seines Rücktritts

… verheißt in Italien nichts Gutes. Die „Expertenregierung“ Draghi ist am Ende, der wohl weltweit angesehenste Italiener wurde am Mittwoch in einem unwürdigen Spektakel vom Rücktritt überzeugt. Denn wer will mit solchen „Polit-Strategen“ schon weiter zusammenarbeiten? Nun kann Salvini endlich wieder Wahlkampf machen und Conte seine Wunden lecken.

Stabil instabil

Ja, kruzinesen, da steckt Italien neun Monate vor dem Ende der Legislatur in einer handfesten Regierungskrise! Warum? Wohl weil sich Ex-Premier Conte gedacht hat: Geteilites Leid ist halbes Leid, deshalb dürfen alle Teil haben an der Identitätskrise der Fünf-Sterne. Letzten Endes ganz Europa.

Aus Anlass der Kommunalwahlen in Italien

Mario Draghi im Juni 2021

…ein paar grundsätzliche Gedanken zum Zustand der italienischen Politik: Während Mario Draghi trotz einiger reform- und finanzpolitischer Sorgen souverän regiert, ändern sich die Kräfteverhältnisse in Italiens Parteienlandschaft. Substanziell ändert sich jedoch – leider – nichts.

Nach der Wiederwahl Mattarellas: Für und Wider einer Direktwahl des Staatsoberhaupts

Sergio Mattarella

Diese Wahl wird nicht ohne Folgen bleiben. In Italien wird nun die Direktwahl des Staatsoberhaupts und eine Reform des Wahlrechts diskutiert – mal wieder.