Ein Blog über Italien und die politischen Entwicklungen.
Der leicht überhebliche Blick in den ach so chaotischen Süden ist uns Deutschen recht schwer abzugewöhnen. Die folgenden Beiträge geben Einblick in das oft vielschichtige, manchmal aber auch profane politische Geschehen Italiens. Für mehr Verständnis, hoffentlich.
Maike Heber
Eine Direktwahl des Premiers ist auch eine Anomalie
Da ist er nun, der Entwurf für eine Verfassungsreform. Il premierato – die Direktwahl der Premierministerin soll eingeführt werden, ein ziemlich einzigartiges parlamentarisches System. Mächtiger wird der oder die Presidente del Consiglio dadurch kaum, aber Technokratenregierungen werden ausgeschlossen und Regierungsumbildungen begrenzt. Vieles ist noch unklar, hängt es doch von den Detailregelungen ab, etwa dem zugehörigen Wahlgesetz. Klar ist: Die Fokussierung auf den Leader und eine gesicherte Mehrheit für die stärkste Kraft per Prämie – das entspricht wohl dem heutigen Demokratieverständnis, nicht nur in Italien, dem langwierige Kompromissfindung und parlamentarische Repräsentativität ein unliebsames Hindernis ist.

Der König der Populisten ist tot – es lebe der Populismus!
Mit Silvio Berlusconi hinterlässt die prägende Figur der „Zweiten Republik“, die mit ihm wohl auch zu Ende geht, ein Land, dessen kulturelle Degeneration er jahrzehntelang befeuert hat – politisch wie medial. Ein Verkäufer, ein Schmeichler, ein Ränkeschmieder, einer, der meinte alles kaufen zu können: Mehrheiten, Gesetze, Gerichtsaussagen – ob mit Geld, mit jungen Frauen, mit Gegenleistungen, mit Macht.
Giorgia Meloni will jetzt sein Erbe antreten – mit eigenwilliger Interpretation. Meloni ist ein ganz anderer Schlag Politiker:in, und vertritt auch inhaltlich in vielem einen anderen Standpunkt. Das Erbe Berlusconis wird sie vielleicht als Führerin des Mitte-Rechts-Lagers übernehmen – darüber hinaus gehört es wohl allen Italiener:innen, wenn nicht der halben Welt: Lügen gehört zum Geschäft, unrealistische Versprechungen ebenso; die Idee, dass das Volk direkt die Regierung zu wählen habe; dass eine Mehrheit zu haben, bedeutet, „ungestört“ regieren zu können, ohne Schranken durch Justiz, Verfahrensformen, Opposition; ein auf den leader zugeschnittener Parteiapparat ohne Gremien; mediale Manipulation, Anti-Elitismus – all das prägte Berlusconis Politikstil und ist feinster Populismus. Elemente, die sich wiederfinden bei Trump und Òrban ebenso wiederfinden wie bei Macron oder Renzi – in unterschiedlicher Abstufung, aber doch klar erkennbar.
In Europa war Berlusconi tatsächlich populistische Avantgarde. Sein Wirken wird noch lange zu spüren sein, in Italien insbesondere.
Empfehlung: Die aktuelle Podcastfolge zum Berlusconismo von kurz gesagt: Italien.
Und täglich grüßt das Murmeltier: Eine Verfassungsreform!

Neue Regierung, altes Spiel: institutionelle Reformen gehen immer, sei es nun das Wahlrecht oder das Regierungssystem. Bislang ist das entweder dem System oder den verantwortlichen Politikern schlecht bekommen. Es besteht wenig Hoffnung, das das dieses Mal anders ist.
Die neue Normalität des Postfaschistischen
Giorgia Meloni ist seit etwas mehr als 100 Tagen im Amt und es lässt sich feststellen: Italiens rechteste Regierung aller Zeiten wird genauso kritisiert wie frühere rechte Regierungen. Inhaltlich gibt es also einiges auszusetzen – im Grunde ist das aber eine gute Nachricht.

Eindeutiger Sieg, fragwürdiges Wahlsystem

Auf der positiven Seite steht: Italien hat eine klare Regierungsmehrheit – ob sie gefällt oder nicht. Auf der negativen Seite des geltenden Wahlsystems steht: Zu viele Sitze für die Lega und Forza Italia und zu viel Verwirrung, welche Kandidat:innen jetzt eigentlich wie ins Parlament gekommen sind.
Io sono Giorgia. Italien hat erstmals eine Regierungschefin

Giorgia Meloni ist neue Premierministerin Italiens. Als erste Frau in diesem Amt hat sie bis kurz vor Schluss noch heftige Machtkämpfe mit ihren Koalitionspartnern ausgetragen. Und vorerst gewonnen.
Die Regeln des Spiels. Italien vor der Wahl

Nur noch wenige Tage bis zur Wahl. Der Rechts-Koalition wird eine klarer Sieg vorausgesagt, begünstigt durch das geltende Wahlgesetz. Dieses ist nur eins von vielen Beispielen, wie der institutionelle Rahmen längst zum Gegenstand von parteipolitischen Interessen geworden ist – mit weit reichenden Folgen.
Die Rückkehr der Politik

… verheißt in Italien nichts Gutes. Die „Expertenregierung“ Draghi ist am Ende, der wohl weltweit angesehenste Italiener wurde am Mittwoch in einem unwürdigen Spektakel vom Rücktritt überzeugt. Denn wer will mit solchen „Polit-Strategen“ schon weiter zusammenarbeiten? Nun kann Salvini endlich wieder Wahlkampf machen und Conte seine Wunden lecken.
Stabil instabil
Ja, kruzinesen, da steckt Italien neun Monate vor dem Ende der Legislatur in einer handfesten Regierungskrise! Warum? Wohl weil sich Ex-Premier Conte gedacht hat: Geteilites Leid ist halbes Leid, deshalb dürfen alle Teil haben an der Identitätskrise der Fünf-Sterne. Letzten Endes ganz Europa.
Aus Anlass der Kommunalwahlen in Italien…

…ein paar grundsätzliche Gedanken zum Zustand der italienischen Politik: Während Mario Draghi trotz einiger reform- und finanzpolitischer Sorgen souverän regiert, ändern sich die Kräfteverhältnisse in Italiens Parteienlandschaft. Substanziell ändert sich jedoch – leider – nichts.
Nach der Wiederwahl Mattarellas: Für und Wider einer Direktwahl des Staatsoberhaupts

Diese Wahl wird nicht ohne Folgen bleiben. In Italien wird nun die Direktwahl des Staatsoberhaupts und eine Reform des Wahlrechts diskutiert – mal wieder.