Eike Schmidt, ehemals Direktor der Florentiner Gemäldegalerie Uffizien, tritt als Bürgermeisterkandidat an – für die Rechtskoalition, in einer traditionell „roten“ Stadt. Warum macht er das?
Die Themen sind klar umrissen: Kriminalität und Drogenhandel bekämpfen, die Verlotterung des Stadtbildes aufhalten, öffentliche Parks für die Florentiner:innen wieder lebenswert machen. Und: Die negativen Auswirkungen des Straßenbahnbaus, so weit möglich, zurückdrängen. Damit verortet sich Eike Schmidt, der Kunsthistoriker und Museumsdirektor, durchaus im rechts-konservativen Spektrum. Er hadert mit der bisherigen Stadtverwaltung und ihrem – in seinen Augen – misslungenen Management von Problemzonen der Stadt, insbesondere in Bezug auf Dealerei, Müll und Kriminalität.
Als Direktor der Uffizien hat er sich den Ruf erworben, einer zu sein, der handelt – auch unorthodox. Steigende Besucherzahlen bedeuteten für Florenz zwar auch noch mehr Tourist:innen in der Altstadt, aber eben auch Mehreinnahmen des Museums, eine verbesserte Organisation der Ein- und Zutritte zum Museum, sprich: mehr Digitalisierung, weniger Schlangen. Er war einst Aushängeschild für die Politik eines Matteo Renzi, selbst Bürgermeister von Florenz zwischen 2009 und 2014, später Ministerpräsident für den PD: Öffnet unsere Museen und Galerien, unsere archäologischen Stätten und Konzerthäuser der Welt, lasst uns die besten Köpfe für die großartigsten Kulturgüter holen! Italien ist mehr als konkurrenzfähig, Italien muss raus aus dem provinziellen Denken, dass sie aufgrund ihres historischen Erbes auch selbst immer alles am besten wissen. Nicht nur Eike Schmidt war ein Beleg, dass die ausländischen neuen Besen gut kehrten – auch Cecilie Hollberg an der Spitze der quasi benachbarten Galleria dell’Accademia, und Gabriel Zuchtriegel, zunächst in Paestum, dann in Pompeji waren und sind erfolgreich.
Der politisch Rechten in Italien gefällt das alles jedoch gar nicht. Hier will die Regierung, vertreten durch Kulturminister Sangiuliano, schließlich zurück zur Größe der eigenen Nation, und das natürlich mit den „eigenen“ Leuten (vgl. Artikel zu Hollberg & derAccademia). Bevorzugt Italiener:innen. Das war das – rechtlich nicht ganz durchzusetzende – Credo bei der Neubesetzung vieler Stellen in großen Häusern im vergangenen Jahr. Insbesondere Vittorio Sgarbi, berüchtigter, inzwischen geschasster Kulturstaatssekretär (und nun für die Europawahl antretend) sprach sie vehement gegen Ausländer auf den prestigeträchtigsten Posten von Italiens Kulturgütern aus (vgl. Beitrag von Il Post).
Warum tritt einer, der also der (Welt-)Offenheit der moderaten Linken seine Ankunft in Florenz verdankt, für eine Rechte an, die ihn und seinesgleichen eigentlich nie haben wollten?
Schmidt sagt: Aus Liebe zu Florenz. Weil er nicht mit ansehen kann, wie Teile dieser Stadt verkommen. Und wahrscheinlich, weil er eben ein Konservativer ist. Von wem sollte er sich also im heutigen Italien aufstellen lassen, wenn nicht von Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia? Mit der PD-geführten Kommunalverwaltung hatte er in seiner früheren Position wohl ausreichend zu tun, um sich nicht vor die Kandare spannen zu lassen. Das entbehrt nicht einer gewissen Tragik. Denn weitere Punkte seines Wahlprogramms sind eindeutig sozial ausgerichtet, Wohnungsbau, Sozialwohnungen, Kitas, Handwerk. Etwas, das sich – ebenso wie die Bekämpfung von Kriminialität und Drogenhandel, hier sind ja nicht die Ziele, sondern die Wege, die den Unterschied machen zwischen den politischen Lagern – der PD ebenso zu eigen machen könnte und sollte. Doch deren Initiativen für mehr Studentenwohnheime sind mindestens ambivalent, wirkt doch eines der Prestigeprojekte, das „Student Hotel“, eher ein studentisches Luxusresort, dessen Zielgruppe wohlhabende Auslandsstudierende sind. Der PD hat sich diese scharfe Konkurrenz von rechts also selbst zuzuschreiben. Viele Jahrzehnte unangefochtenes Regieren tun keinem Land und keiner Stadt gut, davon ist kein politisches Lager ausgenommen. Die Selbsterneuerungskräfte der Linken waren zu schwach, um wirklich zu überzeugen, selbst wenn die „rote Bastion“ wohl auch in dieser Wahl nicht fallen wird.
Doch sollte Eike Schmidt erfolgreich sein, was indes für die erwartete Stichwahl aktuell als ausgeschlossen gilt, würden die mit ihm verbundenen Wahllisten vom Bonus des Siegers profitieren und eine gesicherte Mehrheit im Stadtrat stellen. Das bedeutet viele Mandate für FdI, Lega und FI. Besetzt von Personen, die ihrerseits pragmatische Konservative wie Eike Schmidt sein können – unter denen sich aber ebenso die von Meloni – und all denen, die ihr im In- und Ausland zujubeln – inzwischen so gern ausgeblendete traditionelle Basis der FdI findet, das heißt ultranationale rassistische Faschismus-Nostalgiker. Sowie natürlich das Fußvolk von Matteo Salvini, der sich ja gern selbst als Sheriff inszeniert und an Wohnhäusern klingelt, um die Dealer dingfest zu machen. Der sich zudem für ein rigoroses Einbürgerungsrecht ausspricht, ebenso wie die Koalitionsfreunde. Die somit einen Eike Schmidt in beiden seinen Funktionen gar nicht wollen – ausländischer Museusmdirektor und eingebürgerter Bürgermeisterkandidat. Repräsentiert er darüber hinaus, als wäre das alles nicht schon genug, ausgerechnet das Deutschland, das seine Macht in der EU doch stets zuungunsten Italiens spielen lässt – so die Erzählung aller italienischen Populist:innen. Doch Macht ist das richtige Stichwort: Für die Macht legt sich ein Salvini so ziemlich mit jedem ins Bett. Widersprüche? Muss man aushalten können. Wie Eike Schmidt sie aushält, bleibt sein Geheimnis.