Raum für Debatten – Italien als Thema auf der Buchmesse Frankfurt

Fast könnte man dankbar sein, dass Roberto Saviano zunächst nicht zur Frankfurter Buchmesse eingeladen worden war. Denn daraus entwickelte sich eine intensive Auseinandersetzung über die Freiheit des Wortes in Italien – die in Frankfurt lebhaft geführt wurde.

Roberto Saviano überall

Am Ende war Roberto Saviano überall – bei der F.A.Z., bei der Süddeutschen, bei ARD & ZDF und natürlich bei PEN Berlin, die im Frankfurt calling-Pavillon in der Mitte des Buchmesseareals die kritischsten und politischsten Diskussionen veranstalteten. Seine zunächst ausgebliebene Berücksichtigung für die Delegation des Gastlandes Italien und die darauf einsetzende Empörung, die Nachnominierung, seine Absage, die Solidarität einiger Kolleg:innen, die Entstehung eines Alternativprogramms – all das schuf eine breite Aufmerksamkeit, im Gastland wie im Gastgeberland. Sollten also die Organisator:innen des italienischen Buchmesse-Programms – und mit ihnen die dahinter stehende italienische Regierung – tatsächlich gehofft haben, Saviano durch die Nichteinladung Publikum und Sichtbarkeit zu entziehen, es ist das Gegenteil eingetreten.

Und einen weiteren positiven Nebeneffekt hatte der Skandal: Roberto Saviano hätte so oder so das Interesse der Buchmessenbesucher:innen auf sich gezogen. Nun waren aber die zahlreichen weiteren Veranstaltungen, mit unbekannteren Namen, die sich dem Thema der Freiheitsrechte, der Demokratie, der freien Gesellschaft widmeten, ebenfalls äußerst gut besucht. Nicht selten mussten die Zuhörer:innen, viele von ihnen italienischsprachig, stehen, um gemeinsam mit den Redner:innen nachzuverfolgen, was da gerade eigentlich passiert, in Italien.

Die schleichende Verengung des öffentlichen Raums

Ja, was passiert in Italien? Es gab Beiträge von Redner:innen, die das alles nicht so dramatisch sehen wollen. Selbst Denis Yücel sagte, er habe anfangs gedacht: Übertreibt ihr nicht? Sind die Einschränkungen denn wirklich diesen Aufstand wert? Sind sie, musste er sich dann eingestehen, denn auch seine Erfahrungen aus der Türkei zeigen: So fängt es immer an. Eine Nichtberücksichtigung hier, eine fehlende Akkreditierung dort, eine ausgebliebene Einladung, eine Absage, dann noch eine, eine Unterlassungsklage, eine stornierte Finanzierung – und so weiter. Die Spielräume werden kleiner, der Druck größer. Erst bemerkt man es kaum, aber es mehren sich die Anzeichen. Das beschrieb Paolo Giordano im Vorfeld der Buchmesse u.a. in einem Interview mit der F.A.S. Das bestätigte Sielke Kellner, Media Freedom Rapid Response, im „Zentrum Wort“ – es ist ein schleichender Prozess, eine langsame Verengung des öffentlichen Raums.

Donatella di Pietrantonio, aktuelle Preisträgerin des Premio Strega (ganz links im Bild) ,fasste es in das schöne Bild: Am Anfang ist es ein einziger Punkt auf einem leeren Blatt. Dann kommt ein weiterer hinzu. Und noch einer. Sie sind für sich genommen alle klein und unbedeutend. Aber je mehr es werden, desto dunkler wird das Blatt, bis es ganz schwarz ist. Diese Verdichtung von Punkten, von scheinbar unbedeutenden, sachlich erklärbaren Vorkommnissen, war es schließlich, die die Schriftsteller:innen um Paolo Giordano zum offenen Brief gegenüber den Buchmessenorganisator:innen und schließlich grundsätzlich eine eine Art widerständigen Zusammenschluss getrieben hat. Denn auch wenn Denis Yücel zugibt, dass man nie weiß, ob am Ende wirklich eine Autokratie steht – ihren Anfang nimmt sie immer in der Verengung des Debattenraums.

Auf der Frankfurter Buchmesse 2024 wurde er zum Glück erst einmal wieder erweitert.