Wie Italiens Innenminister die Religion missbraucht
Matteo Salvini auf dem Domplatz in Mailand. Er küsst einen Rosenkranz, hält ihn in die Höhe. So werden ihn die Zeitungen am nächsten Tag präsentieren. Matteo Salvini nach der Europawahl, nach der er sich als der große neue Star der europäischen Rechten feiern lassen kann: Er hält den Rosenkranz in den Händen, das Kreuz als Symbol des Christentums in die Höhe.
Sein Wahlerfolg und die Passion Christi? Wo ist der Zusammenhang? Es gibt ihn nicht. Was auch immer Matteo Salvini glauben machen will, für ihn ist das Kreuz nur ein Symbol für Tradition, das Rosenkranzbeten ein Ritus. Diese Riten stellt er gegen die Einwanderer, die andere Religionen mitbringen – ob sie vielleicht doch auch Christen sein könnten, ist für ihn nicht relevant. Er stellt den Rosenkranz gegen die Veränderungen der heutigen Welt, als ein Symbol für die alteingesessenen Italiener mit ihren Bräuchen und Sitten dar. Das ist Folklore. Das ist Tracht, Gewohnheit, Kindheit. Es ist ein Symbol gegen Veränderung und für die eigene Identität. Salvini deutet den Rosenkranz ausschließlich national.
Die Botschaft Christi ist ihm dabei gleich. Sie wäre auch viel zu kompliziert und würde zugleich Implikationen mit sich bringen – liebe deinen Nächsten; wer ist dein Nächster? – die ganz und gar nicht in Salvinis politisches Programm passen.
So durchsichtig die Verwendung religiöser Symbole als Identitätsträger bei ihm ist, so bedauerlich bis erschütternd ist es, dass sie Wirkung zeigen. Den Christen, denen es um das Fortdauern der Botschaft Christi geht, die sollten überzeugt für ihren Glauben einstehen und ihre Riten und Traditionen aufrecht erhalten – und in dieser unerschütterlichen Überzeugung offen auf ihre Nächsten zugehen. Und ja, sogar und gerade Muslimen gegenüber. Das Gleichnis des barmherzigen Samariters ist so berühmt und doch so sehr vergessen.
Die Angst um die eigene Kultur entsteht dort, wo wir selbst nicht mehr von ihr und ihrem Wert überzeugt sind. Weil der Glaube und die Traditionen bröckeln, halten wir sie wie morsche Waffen gegen die, die eine andere Kultur mitbringen. Das ist paradox, wenden sich doch die meisten in Europa freiwillig und aus freier Überzeugung vom Christentum ab. Doch wer noch daran hängt, ist sich seiner Sache auch nicht sicher. Wenn wir uns unserer Sache sicher wären, dann müssten wir keine Angst haben. Dann könnte Salvini nicht glauben, seine menschenverachtende Haltung und der Rosenkranz seien miteinander vereinbar.
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