Staatspräsident Mattarella weist Salvini „Sicherheits“-Populismus in die Schranken
Es war das populistischste aller populistischen Vorhaben des italienischen Innenministers Matteo Salvini: Das von ihm eingebrachte Gesetz zur „legitimen Verteidigung“, das Staatspräsident Mattarella am gestrigen Tag zwar freizeichnete, zugleich aber in einer Nachricht an das Parlament eine eindeutige Auslegung dieses Gesetzes vorwegnahm. Mattarella zeichnete rote Linien für eine gerechtfertigte Selbstverteidigung, die Salvini keineswegs gefallen dürften – hingegen in der Anwendung des Gesetzes sicherlich Resonanz finden werden.
Der „Angst-Unternehmer“, wie der Repubblica-Journalist Massimo Giannini Salvini bezeichnet, wollte mit dem Gesetz vor allem eines erreichen: Die gefühlte Unsicherheit der Italiener*innen bestätigen oder sie im Zweifel auch erst hervorrufen: Man ist in diesem Land nicht mehr sicher; der Staat steht einem nicht zur Seite, also müssen wir uns selbst gegen Kriminelle / Ausländer / kriminelle Ausländer verteidigen. Und Salvini als der Mann mit dem Ohr am Volk macht das, was dafür nötig ist: Er spricht vorneweg all diejenigen frei, die sich mit der Waffe selbst verteidigen und dabei jemanden töten.
Als Innenminister hätte gleichwohl seine Aufgabe sein müssen, eher die Strafverfolgung zu stärken, die Polizei besser auszustatten, ggf. mehr Streifen auf die Straßen zu schicken. Aber das ist viel aufwendiger, dauert länger und ähnelt Versprechen anderer Parteien. Zudem würden solche Maßnahmen Vertrauen in den Staat schaffen – und Salvini spielt viel lieber auf der Klaviatur des Misstrauens, mit der er seine eigene Person als Retter herausstellen kann und mit der er die radikale Rechte für sich gewinnt und ihre Positionen normalisiert. Dass dieses Konzept bislang aufgeht, zeigen die Ereignisse zum Jahrestag der Befreiung am 25. April sehr deutlich.
Die oppositionellen Mitte-Rechts-Parteien hatten ebenso für das Gesetz gestimmt wie die Fünf-Sterne-Bewegung. Steht bei letzterer die Stabilität der Regierung als Motiv zu buche, ist fraglich, was die Opposition bewegt hat: Sie stärken lediglich Salvini, festigen seine Rolle als zukünftigen Anführer der politischen Rechten – und werden damit die Radikalisierung des Mitte-Rechts-Lagers gerade nicht verhindern. Dieser Radikalisierung stellt sich derzeit insbesondere der Staatspräsident entgegen (siehe Nachricht ans Parlament): Es sind zuallererst der Staat mit seinem Gewaltmonopol und insbesondere die Polizei, die für die Sicherheit der Bürger*innen zuständig sind.
Zudem gilt immer die Verhältnismäßigkeit von Bedrohung und Reaktion. Mit anderen Worten: Nicht jeder Schuss ist gerechtfertigt. Damit einher geht, dass der Umstand, ob die Selbstverteidigung legitim war, nicht vom Gesetz a priori festgelegt werden kann, sondern erst unmissverständlich festgestellt werden muss – von den zuständigen Richter*innen. Deren Vertreter*innen hatten im Vorfeld das Gesetz scharf kritisiert – und waren für eine offizielle Stellungnahme gar nicht erst angefragt worden. Ein absolut unüblicher Vorgang, wenn juristische Verfahren betroffen sind. Es ist davon auszugehen, dass ebenjene Richter*innen bei der ersten Möglichkeit das Gesetz dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorlegen werden. Ob es dann Bestand haben wird, ist zweifelhaft.
Das könnte Hoffnung geben, dass die inter-institutionellen Verschränkungen und rechtstaatlichen Garantien in Italien stark genug sind, dass das Land die populistische Welle von rechts übersteht. Es steht allerdings zu befürchten, dass es Salvini nicht zwingend um die Wirksamkeit des Gesetzes selbst ging, sondern vielmehr um die Wirksamkeit seiner Symbolik: Menschen werden zur Selbstjustiz ermutigt, Unsicherheit darf mit Waffen bekämpft werden. Vertrauen in den Staat wird weiter gemindert, Solidarität und Vertrauen in der Gesellschaft untereindander schwindet, wenn Agressivität und Verteidigungshaltung dominieren. Das ist das von Angst geprägte Fundament, auf dem ein „starker Mann“ seine politische Herrschaft errichten kann.
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